
Warum wir heutzutage so viel Angst haben – und was wir dagegen tun können
Stell dir vor …
Du schiebst eine Pizza in den Ofen. Alles entspannt, du stellst den Timer auf zwölf Minuten und freust dich schon auf ein unkompliziertes Abendessen vor dem Fernseher. Kaum drehst du dich um, geht der Rauchmelder los. Laut. Schrill. Dabei ist im Ofen noch nicht mal der Käse geschmolzen.
Dein Herz rast, du fuchtelst panisch mit einem Küchentuch in der Luft, reißt das Fenster auf – und stellst dann fest: Da war gar kein Rauch. Der Rauchmelder hat einfach zu früh reagiert.
Genauso verhält sich das oft mit der Angst. Dein inneres Alarmsystem schrillt, bevor überhaupt eine echte Gefahr da ist. Und dein Körper nimmt das so ernst, dass es dir schwerfällt, die Situation noch logisch einzuordnen.
Was im Körper passiert, wenn der Alarm zu früh auslöst
Der Rauchmelder im Gehirn
Unser innerer Rauchmelder sitzt im Kopf – genauer gesagt in der Amygdala und im vorderen Inselkortex. Diese Bereiche sind dafür zuständig, blitzschnell auf mögliche Gefahren zu reagieren (Harrison et al., 2021). Das ist ein super System, wenn wirklich Rauch in der Luft liegt. Aber wie viele Rauchmelder ist es nicht immer perfekt eingestellt. Manchmal reicht schon ein angebrannter Toast – oder in unserem Alltag ein voller Posteingang, ein genervter Blick im Meeting oder die Erinnerung an ein altes Erlebnis.
Und zack: der Alarm geht los, obwohl die Pizza im Ofen noch nicht mal blubberigen Käse hat.
Warum sich alles so echt anfühlt
Wenn der innere Rauchmelder anspringt, geht dein Körper sofort in den Notfallmodus. Puls hoch, Atem flach, Muskeln angespannt. Adrenalin und Cortisol fluten dein System. Dein Körper erlebt die Angst real, auch wenn sie „nur“ durch eine harmlose Mail ausgelöst wurde. Kein Wunder, dass es sich nie wie Einbildung anfühlt. Statistiken zeigen: Gerade bei Millennials und Gen Z sind solche körperlichen Stressreaktionen deutlich häufiger geworden – in den letzten zehn Jahren um bis zu 42 %.
Was hilft, wenn die Alarmanlage zu früh piept
Den Rauchmelder neu kalibrieren
Wenn der Rauchmelder in der Küche losgeht, suchst du nicht den Feuerlöscher – du stellst das Ding erstmal ruhig. Genau das funktioniert auch bei Angst: Statt endlos im Kopf nach Gründen zu suchen, startest du beim Körper.
Studien zeigen, dass längeres Ausatmen den Parasympathikus aktiviert – das Bremssystem deines Nervensystems. Atemtechniken wie die 4-7-8-Methode oder Box-Breathing können den Alarm spürbar herunterfahren. Auch einfache Körperanker – fünf Dinge im Raum wahrnehmen, die Füße bewusst am Boden spüren – signalisieren deinem Gehirn: Alles im grünen Bereich.
Je öfter du übst, desto besser lernt dein innerer Rauchmelder: Nicht jeder kleine Funke ist gleich ein Großbrand.
Warum gerade Millennials empfindlicher reagieren
Unsere Generation lebt mit Dauerreizen, Unsicherheit und ständigem Multitasking. Eine Studie (Nürnberger Versicherung, 2025) zeigt: 50 % der Millennials fürchten Altersarmut, 38 % Krankheiten, 40 % fehlende Absicherung. Kein Wunder also, dass unser System schneller in Alarmbereitschaft geht.
Dein Körper ist nicht „zu sensibel“. Er reagiert nur auf eine Welt, die ihn permanent mit kleinen „Pizza-Düften“ bombardiert.
Fazit: Kein Feuer – nur ein bisschen Käsegeruch
Angst ist wie ein Rauchmelder, der lieber einmal zu früh losgeht, als zu spät. Dein Körper will dich schützen, nicht nerven.
Die gute Nachricht: Mit Atem, Körperwahrnehmung und ein bisschen Übung kannst du die Lautstärke runterdrehen. So lernst du zu unterscheiden: Ist das wirklich Rauch – oder einfach nur der Duft von halb geschmolzenem Käse?
Und dann kannst du dich entscheiden: Fenster aufmachen, kurz durchatmen – und entspannt weiterkochen.
Deloitte. (2022). Millennial Survey 2022.
Harrison, O. K., Köck, L., Nanz, A., & Critchley, H. D. (2021). Interoception of breathing and its relationship with anxiety.
Lahousen, T., & Kapfhammer, H. P. (2018). Neurobiologie der Angststörungen: Vom Furchtnetzwerk zu psychotherapeutischen Implikationen.
ETH Zürich News. (2021). Stress research: How the body reacts to stress. ETH Zürich.
KKH Studienzentrum. (2023). Angststörungen bei jungen Erwachsenen nehmen deutlich zu.
Hudovernik, J. (2025). Successful under pressure: Breathing techniques for resilience.
Nürnberger Versicherung. (2025). Millennials-Studie 2025: Ängste, Sorgen und Zukunftsperspektiven einer Generation.